Trojanisches Schicksal.

[] Espérons cependant qu’aucun Gouvernement ne sera, à plus ou moins longue échéance, amené à revenir sur les améliorations en perspective et à faire des coupes sombres au niveau des prestations pour rétablir l’équilibre financier du régime qui reste toujours précaire. []

Mahnende Worte. Verfasst vom Staatsrat. Jener ehrwürdigen Körperschaft, dessen Fingerzeig meist demütig geachtet wird. Doch eben nicht immer. So geschehen nach dem „Rentendësch“, im Jahre 2002. Damals, hatten die Staatsräte, Regierung und Parlament gewarnt. Vor einer zu freimütigen Erhöhung der Rentenbezüge. Sowie der Einführung von neuen, kostspieligen Leistungen. Die Alarmglocken nahm freilich niemand wahr. Wurden sie doch übertönt. Vom sich wild drehenden Rad der Wirtschaft. Dem Strömen des Geldes. Dem Sprudeln der Reserven. Und so verhallte der Appell der Weisen. Wie einst jener der Kassandra.

Ein Jahrzehnt später ist Einsicht eingekehrt. Wenn auch eine späte. Sei es drum. Die Regierung möchte nun die Finanzierung der Renten absichern. Schlägt erstmalig eine Reform vor, die nicht zu weiteren Erhöhungen führen soll. Im Gegenteil. Das System soll ernsthaft entlastet, die Rentenmauer somit überwunden werden. Gleichzeitig, soll niemand Einbuße hinnehmen müssen. Weder die Rentner von heute. Noch jene von morgen. Ein gordischer Knoten? Keineswegs. So lautet das Allheilrezept für die nächsten 40 Jahre wie folgt: man nehme eine höhere Lebenserwartung. Von 89,5 Jahren für die Frauen. Und 84,9 Jahren für die Männer. Man passt die Lebensarbeitszeit dementsprechend an. Würzt das Ganze zusätzlich mit 3% Wirtschafts- und 1,5% Beschäftigungswachstum. Und siehe da. Für jeden bleibt ein schmackhaftes Stückchen vom Rentenkuchen übrig. Wer seines weiterhin mit 60 Jahren genießen möchte, der muss sich etwas bescheidener geben. Die Leistungen werden leicht gekürzt. Wer hingegen wie heute, eine üppigere Portion verzehren möchte, braucht nur drei Jahre länger arbeiten zu gehen. Schließlich lebt er ja auch länger!

So weit so gut. Scheint die Neufassung des Generationenvertrags, der dem Rentensystem zugrunde liegt, doch recht solide zu sein. Allerdings gebietet es sich immer das Kleingedruckte zu lesen. Am besten noch vor der Unterzeichnung. Dann offenbaren sich einem durchaus die Tücken und Lücken des Inhaltes einer vermeintlichen Wundertüte.

Vor Allem jene der wirtschaftlichen Prämissen, auf denen das gesamte Vorhaben ruht: durchschnittlich 3% Wachstum in den kommenden Dekaden. Gestützt wird sich auf die Zahlen der vergangen 30 Jahren. Dass, es sich dabei um eine außergewöhnliche Periode handelte, der die gegenwärtige Krise ein jähes Ende setzte, wird ausgeblendet. Ebenso wie die Tatsache, dass die Wirtschaft unseres Landes seit nunmehr 4 Jahren stagniert. Und die Aussichten auf eine baldige Erholung eher düster sind. Nicht zu reden von einem nahtlosem Anknüpfen an frühere Glanzzeiten.

So schätzt der STATEC, dass 2012 mit 0,5% und nächstes Jahr mit  1% Wachstum zu rechnen ist. In den Jahren 2008 bis 2013 wurden die ökonomischen Voraussetzungen demnach schon weitestgehend verfehlt. Die OECD ist überdies der Meinung, dass mit Blick auf 2050, jährliche Wachstumsraten von 0,6 bis 1,6% in Luxemburg zur Norm werden.

Einige Zeitgenossen werden nun wieder aufschreien. Gar von einem Blick in „die Kristallkugel“ reden. Dabei braucht man kein Hellseher zu sein. Die Fakten sprechen für sich. Heute gibt es rund 134.000 Rentner. Dem gegenüber stehen 340.000 Beitragszahler. In 18 Jahren, werden bereits 220.000 Rentner eine Altersvorsorge beziehen. Gebraucht werden dann mindestens 550.000 Erwerbstätigen. Damit die Rechnung aufgeht. Vorausgesetzt, dass über diese Zeitspanne, jedes Jahr 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine Verdoppelung, die unser Land überhaupt verträgt?

Ein Defizit der Kasse ist unweigerlich vorprogrammiert. Der Sozialminister verweist hier gerne auf die geplanten Korrekturmechanismen. Sprich: ein moderater bis kein ajustement. Das Ziehen jener Notbremsen geht indessen nicht automatisch vonstatten. Es hängt vielmehr von zukünftigen politischen Entscheidungen und Konstellationen ab. Hinzukommen bereits in Aussicht gestellte Beitragserhöhungen, die jede Anpassung im Keim ersticken werden. Und mit ihr die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Ergo: schwache Wirtschaftsleistung und somit kein Wachstum. Kein Wachstum, keine Kaufkraft. Und vor allem: kein Erreichen der Reformvorgaben. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Dabei würde eine integrale Aussetzung des ajustement, bei gleichzeitiger Beibehaltung der Indexierung, den Schuldenberg der Rentenkasse beschränken. Auf 54% des BIP. Eine volle Anpassung an die globale Lohnentwicklung hingegen, denselben auf 158% ansteigen lassen.

Einiges bliebe noch zu sagen. Zur Verlängerung der Arbeitszeit, den Zusatzrenten sowie der Generationengerechtigkeit. Doch würde das den Rahmen dieser Tribüne sprengen. So sei nur noch ein letzter Blick auf folgende Zeilen gestattet:

 [] Il se demande cependant si les modifications prévues suffisent à assurer à court et à moyen terme l’équilibre entre les ressources et dépenses sans charge excessive pour les générations futures[]

Mahnende Worte. Verfasst vom Staatsrat. Im Jahre 2012. Verhallen sie wieder? Wie die Rufe der Kassandra? Dann droht wie einst, ein böses Erwachen. Ein trojanisches Schicksal.

Serge Wilmes

CSV-Abgeordneter

Quelle: Luxemburger Wort, Ausgabe vom 1. Dezember 2012, Analyse und Meinung, S.4

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